Beelitz – Frauenlungenheilstätte

Mai / September 2014

Da kriegst du die Motten! war zum Ende des 19. Jahrhundert eine gern dahingesagte Redewendung wenn jemand an der Tuberkulose erkrankt war, denn die Lunge wird langsam durchlöchert, wie bei Motten welche die Wolle zerfressen. Dazu wendet das Tuberkulose Bazillus einen ganz billigen aber auch genialen Trick an. Nachdem der Erreger eingeatmet wurde, lässt er sich von so genannten Fresszellen die für die Immunabwehr zuständig sind fressen, in dem Wissen dabei nicht zerstört zu werden. Aufgrund seiner Beschaffenheit kann es aber nicht nur überleben sondern sich auch weiter vermehren und so den Körper infizieren.

Bis es aber soweit war, dass der Tuberkulose Erreger identifiziert wurde, musste erst einmal ein zu dieser Zeit höchst ungewöhnliches Ereignis stattfinden. Ein 37jähriger Kreisarzt, der unter einfachsten Bedingungen den Übertragungsweg des Milzbrandbazillus nachweisen konnte, wurde zum Kaiserlichen Gesundheitsamt nach Berlin berufen. Keine zwei Jahre später entdeckte eben dieser den Tuberkulose Erreger. Zu dieser Zeit starben etwa 120.000 Menschen jährlich an Tuberkulose bzw. jeder zweite Todesfall unter den zwanzig- bis vierzigjährigen ging darauf zurück. Der benannte Arzt war Robert Koch der damit den Grundstein für die Heilung der Tuberkulose legte und dafür 1905 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Noch fehlte es jedoch an einem Heilmittel, seine aufgestellten Regeln als Grundlage gelten jedoch heute noch.

„Die Krankheit unserer heutigen Städte und Siedlungen ist das traurige Resultat unseres Versagens, menschliche Grundbedürfnisse über wirtschaftliche und industrielle Forderungen zu stellen.“ Walter Gropius

Isolation war nach Robert Koch der wichtigste Faktor um eine Übertragung des Erregers zu verhindern. Die engen kleinen überbelegten Wohnungen der Industriearbeiter in feuchter rußiger Umgebung waren die perfekten Brutstätten für Krankheiten. So entstanden im ausklingen Jahrhundert viele Heilstätten und Sanatorien, vorrangig in ruhiger Umgebung mit frischer und sauberer Luft. Die Waldgebiete um Beelitz herum waren dabei besonders geeignet, da sie nur wenige Kilometer entfernt von der anwachsenden Berliner Innenstadt liegen und gut mit der Bahn zu erreichen waren. Zwischen 1898 und 1930 entstand so in mehreren Bauabschnitten durch die Landesversicherungsanstalt Berlin ein riesiger Krankenhauskomplex, die Arbeiter-Lungenheilstätten Beelitz-Heilstätten.

Auf vier Quadranten verteilt entstanden etwa 60 Gebäude, die Lungenheilstätten nördlich der Bahnlinie und südlich die Sanatorien für nicht ansteckende Krankheiten. Alle Bereiche waren strikt nach Geschlechtern getrennt um sich so gut wie möglich auf die Heilung konzentrieren zu können. Auch die Wirtschafts- und Betriebsgebäude waren Geschlechterspezifisch zugeordnet. In den Bereichen der Frauen waren die Waschhäuser und Küchengebäude, bei den Männern das Heizhaus, Fleischerei und Bäckerei, die Werkstätten und der Fuhrpark. Das Zentrale Badehaus auf dem Gelände des Männersanatoriums unterlag keiner Trennung.

Ebenfalls Interessant

Lungenheilgebäude für Frauen

Den Bereich der Frauenlungenheilstätte mit Chirurgie habe ich größtenteils allein erkundet. Wo früher die von Motten durchlöcherten Lungen geflickt wurden, scheinen sich diese noch immer durch die Gebäude zu fressen. Es sind wohl die am schlechtesten erhaltenen Gebäude, im inneren herrscht durch den pfeifenden Wind, knarrende Geräusche und der Dunkelheit eine sehr ungemütliche und beklemmende Athmosphäre. Das Lungenheilgebäude für Frauen wurde in der ersten Bauphase zwischen 1898 und 1902 mit 73 Betten errichtet. Eine viel zu geringe Bettenanzahl um der Volkskrankheit Nr.1 gerecht zu werden. So kam in der zweiten Bauphase ein Erweiterungsbau, das sogenante Alpenhaus mit 273 Betten hinzu.

Zum Ende des 2. Weltkrieges brannte der Dachstuhl jedoch nach einem Bombentreffer aus. Nach 70 Jahren hat sich die Natur bereits einen großen Teil des Gebäudes zurück erobert. Auf dem Dach wachsen meterhohe Bäume zwischen alten rostigen Bettgestellen. Die Chirurgie entstand Ende der 20er Jahre zu einer Zeit als man chirurgische Eingriffe noch als zukunftsweisende Behandlung ansah. In den vierziger Jahren wurde jedoch die Lungenchirurgie von der Chemotherapie der Tuberkulose abgelöst. Auf dem Gelände der Frauenlungenheilstätte ist mittlerweile ein Baumwipfelpfad entstanden, ob jedoch auch in den Erhalt der Gebäude investiert wird bleibt abzuwarten.

Alpenhaus

Chirurgie

Waschküche, später Pathologie / Labor

Küchengebäude